Wo liegt dein Geniebereich?

10. Dezember 2021

Vor langer Zeit habe ich das Buch “The Big Leap” von Gay Hendricks gelesen und auch hier im Newsletter empfohlen. Auf deutsch hat es den etwas sperrigen Titel “Lebe dein Leben, bevor es andere tun”, der übrigens nicht im Geringsten das anspricht, was mit “Big Leap” gemeint ist. Ein “Big Leap” ist ein großer Sprung wie bei einem Hürdenlauf. In Hendricks Buch ist damit gemeint, wie du von deinem aktuellen Leben den Sprung in eine Lebensversion schaffen kannst, die viel mehr deinen Talenten entspricht. Er prägt in diesem Ratgeber den Begriff der “Zone of Genius”, die unser heutiges Thema ist.

Der Autor geht – wie ich auch – davon aus, dass jeder von uns einzigartig ist und Talente hat, die ihn oder sie besonders auszeichnen. Andererseits gibt es Dinge, die wir gar nicht gut können. Hendricks spricht von vier möglichen Kategorien. Ich übersetze sie selbst nach Gutdünken, weil mir die deutsche Übersetzung nicht gefällt.

Der Bereich der Inkompetenz

Welche Dinge fallen dir schwer und anderen leicht? Wozu fehlt dir der Zugang? Oft investieren wir viel Energie in Bereiche, in denen wir auch mit viel Übung niemals gut sein werden. Ich habe das mal gelesen, als bei einem Konzept die Rede davon war, “Schwächen zu schwächen und Stärken zu stärken”. Das klingt erst einmal klasse, doch meiner Erfahrung nach bringt es auf lange Sicht mehr, sich lediglich auf seine Stärken zu konzentrieren und die Schwächen zu ignorieren. Statt dich also auf die Sachen zu fokussieren, die du nicht gut kannst, werde sie los.

Eliminiere sie, wenn das möglich ist. Vielleicht ist es gar nicht notwendig, dass du beispielsweise dein Buch im Self Publishing auch als Taschenbuch herausbringst und dir sämtliche Nervenbahnen absterben, sobald du dich mit der Formatierung auseinandersetzt. Oder, falls du die Aufgaben nicht eliminieren kannst oder willst: Delegiere sie. Während ein Profi deinen Buchsatz in wenigen Tagen auf Verlagsniveau poliert, kannst du die Zeit nutzen, um in deinem “Geniebereich” Ge.ld zu verdienen.

Der Bereich der Kompetenz

Die Dinge im Kompetenzbereich kannst du so gut wie andere. Im Grunde ist es egal, wer von euch die Aufgabe erledigt, Hauptsache, sie wird getan. Ich habe das früher, als ich angestellt war, häufig in Teams erlebt: Manche Aufgaben mussten gemacht werden und irgendjemand hat sich dafür gemeldet, weil es im Grunde irrelevant war, wer sie erledigte. In unserem Fall betraf das beispielsweise den gesamten Vertriebsprozess ab Verkauf: Sobald ein Produkt verkauft wurde, gab es einen vorgeschriebenen Prozess, den man abzuarbeiten hatte. So konnten wir uns gegenseitig mit Leichtigkeit vertreten, da niemand besondere Fähigkeiten oder Talente haben musste. Dieser Bereich ist relativ gemütlich, weil du dich nicht besonders anstrengen musst. Auf der anderen Seite gibt es aber viel Konkurrenz und in harten Zeiten hast du keine Argumente, warum du beispielsweise für dein Unternehmen wichtig bist. Als Selbstständige(r) hebst du dich von anderen nicht ab, wenn du das Gleiche anbietest wie deine Mitbewerber*innen. Ich nehme das insbesondere beim Lektorat wahr: Alle bringen die eingereichten Texte auf ein sprachlich und/oder inhaltlich besseres Niveau. Warum sollte ich genau dich als Lektorin oder Lektor aussuchen, wo doch so viele andere das Gleiche anbieten? Natürlich gilt das auch für dich als Autorin oder Autor: Wenn deine Bücher genau so (gut) sind wie die übrigen dieses Genres, warum sollte ich deines lesen?

Der Bereich der Exzellenz

Nun wird es spannend. Ich fasse mir hierbei auch an die eigene Nase, denn auch ich rutsche immer wieder in diesen Bereich zurück. Im Exzellenzbereich kannst du glänzen. Die Dinge, die du tust, beherrschst du außergewöhnlich gut. Man kann sich darauf verlassen, dass du gute Arbeit ablieferst. Gerade wir Hochsensiblen – ich weiß, dass einige meiner Leser*innen sich, wie ich, zu dieser Gruppe zählen – haben oft Schwierigkeiten, diesen Bereich zu verlassen, da wir ja in so vielen Dingen sehr gut sind und uns nicht auf eine Sache konzentrieren können oder wollen. Viele Menschen verharren laut Gay Hendricks in diesem Bereich und ignorieren die leise Stimme tief in ihrem Inneren, die ihnen sagt, dass dies noch nicht die volle Selbstentfaltung ist. Erinnerst du dich an die “Maslow’sche Bedürfnispyramide”? Im Exzellenzbereich sind alle Ebenen dieser Pyramide erfüllt, bis auf die oberste (bzw. die beiden obersten im achtstufigen Modell).

Der Bereich deines Genies

Kommen wir zur Superlative. Möglicherweise denkst du, dass es einen solchen Bereich für dich nicht gibt, aber ich muss sagen, dass mir bisher kein Mensch untergekommen ist, der nicht mindestens in einem Lebensbereich besser war als alle anderen. “Besser” meint hierbei nicht unbedingt eine Leistung, sondern eher ein Talent. Die “Zone of Genius” – der Geniebereich – beinhaltet die Dinge, die du besser beherrschst als alle anderen. Um es direkt mit Hendricks auszudrücken: “In einzigartiger, völlig unverkennbarer Weise tragen diese Aktivitäten Ihre Handschrift und schöpfen aus Ihren besonderen Begabungen und Stärken.”

Falls du dich schon länger mit Persönlichkeitsentwicklung beschäftigst, wirst du merken, dass fast alle Texte und Ansätze irgendwann auf diese Ausgangsfrage zurückkommen:

  • Was kannst du von Natur aus unheimlich gut? Wo liegen deine Talente und Neigungen?
  • Was wird dir nie langweilig?
  • Was fühlt sich nicht nach Arbeit an?
  • Was ist es, das nur du so machst, wie du es tust? (Es heißt nicht, dass niemand auf der Welt außer dir diese Fähigkeit hat, sondern, dass du die oder der Einzige in deinem privaten und
    beruflichen Umfeld damit bist.)

Im genannten Buch werden auch Schritte genannt, wie du in deinen persönlichen Geniebereich gelangst. Ich fasse sie für dich zusammen, empfehle dir aber, das ganze Buch zu lesen:

1 . Schritt:

Finde heraus, was dich bisher davon abgehalten hat, ganz im Einklang mit dir selbst zu leben. Hast du meinen Artikel über Prioritäten gelesen? Dort spreche ich von “Wahrhaftigkeit”, was in die gleiche Richtung geht. Im ersten Schritt empfiehlt Hendricks, eine IST-Analyse aufzustellen und herauszufinden, wann du in der Vergangenheit nicht “wahrhaftig” gelebt hast, wie es deine natürlichen Talente und Neigungen vorgeben würden. Im Grunde geht es hierbei darum, hemmende Glaubenssätze zu finden. Was hält dich ab – oder hat dich bisher davon abgehalten – den Sprung in deinen persönlichen Geniebereich zu wagen? Wichtig dabei ist, dass du dich nicht kritisierst oder gar verurteilst. Eine liebende Grundhaltung dir selbst und deinen Mitmenschen gegenüber ist fruchtbarer. Nimm dein Verhalten mit staunender Neugierde wahr, wie ein Kind, das eine Schnecke beobachtet.

2. Schritt:

Finde heraus, mit welchen kleinen Schritten du in Richtung “Geniebereich” gehen kannst. Welche Glaubenssätze kannst du sofort auflösen, bei welchen dauert es länger? Welche neue Geschichte erzählst du dir selbst?

3. Schritt:

Entscheide dich aktiv für den großen Sprung. Schließe ein Abkommen mit Gott oder dem Universum, dass du von nun an ein Leben innerhalb deines Geniebereichs leben willst – ohne zu wissen, wie. Gemäß dem Gesetz der Anziehung ist es notwendig, dass du zuerst den Schritt ins Unbekannte machst und sich dann alles zusammenfügt. Hendricks geht noch auf viele weitere Aspekte ein, die ich heute nicht anspreche. Dieses Buch kann man immer wieder zur Hand nehmen und man entdeckt wieder und wieder neue Aspekte. Ab damit auf die Wunschliste – oder beschenke dich gleich selbst damit und überlege, wem es noch helfen könnte

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